Die Mutter des Erfolgs
Ist 'neoliberal' nur ein politischer Kampfbegriff, welcher von Linken verwendet wird, um alles und jeden zu diffamieren, der oder die vermeintlich "rechts" von ihnen steht, konservativ, oder wirtschaftsliberal ist? Oder ist der Neoliberalismus eine vorherrschende Ideologie, nach welcher seit einigen Jahren hierzulande alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche ausgerichtet werden1.
Wir glauben, daß letztere Interpretation dessen näher kommt, was man gesellschaftliche Realität nennen könnte. Wir haben aber etwas dagegen, daß sich die neoliberale Ideologie noch weiter ausbreitet, da dies nicht im Sinne der Menschen und einer friedlichen Gesellschaft sein kann.
Diese Internetseite soll darauf aufmerksam machen, wie sich Neoliberalismus an welchen Stellen in unserer Gesellschaft ausbreitet und in unsere Köpfe frißt, welche Ziele durch die Akteure des Neoliberalismus verfolgt werden und vor allem wie wenig Menschenverstand und Menschlichkeit in ihm steckt. So verstehen wir eine
Neoliberale Idealgesellschaft:
(Update: Januar 2017) Schema der neoliberalen Idealgesellschaft - ohne Anspruch auf Vollständigkeit
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Das Diagramm zeigt eine Mischung aus der schematisch vereinfachten Grundfunktion unserer Gesellschaft und einer vorstellbaren neoliberalen Idealgesellschaft. Es zeigt eine Regierung, die von externen Akteuren und Lobbies gesteuert wird und eine Bevölkerung, die trotz formal vorhandener parlamentarisch-demokratischer Grundordnung nicht über die tatsächliche Entscheidungsmacht verfügt.
Die Menschen in diesem System besitzen alle Freiheiten einer liberalen Gesellschaft und können über die persönliche Lebensgestaltung selbst entscheiden. Auf der anderen Seite werden sie klar in die Richtung der ökonomischen Verwertung im System gedrängt und werden durch verschiedene Mittel ständig unter Druck gesetzt, Leistung zu bringen und nach Wohlstand zu streben. Das Bildungssystem ist hier zentral dargestellt, da es die Orientierung an materiellem Wohlstand befördern und die Menschen für die Leistungsgesellschaft vorbereiten soll. Durch die Einladung von Unternehmen in Schulen, zur „Information“ über Sachthemen oder durch die Einsetzung von Stiftungsprofessuren an Hochschulen können neoliberale Lobbies und Unternehmen neben vielen weiteren indirekten Maßnahmen, auch in staatlichen Bildungseinrichtungen ganz direkt Einfluß auf Schüler und Studierende ausüben. Des Weiteren wird über Hochschulräte und Lobbyisten in Ministerien direkter Einfluß auf das Bildungssystem und andere Politikfelder genommen.
Materieller Wohlstand wird als Köder vorgehalten, also als Ansporn oder Belohnung, die man bekommt, wenn man alle Bedingungen erfüllt und das eigene Leben nach Wirtschaft und Arbeitsmarkt organisiert sowie das Wertesystem entsprechend anpaßt.
Das Menschenbild: Homo Ökonomikus
So oder so ähnlich kann plakativ die Disktrepanz zwischen neoliberalem und
humanistischen Idealmenschen dargestellt werden - auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Die plakative Gegenüberstellung von neoliberalen und humanistischen Lebenseinstellungen ist der Versuch, zum Kern dessen vorzudringen, was Neoliberalismus für die Eigenwahrnehmung und den Alltag der Menschen bedeutet. Mit den Schemata und den vielfältigen Beispielen auf dieser Seite soll zudem eine Annäherung an die Frage erfolgen, wie weit der neoliberale Zeitgeist bereits in unser Leben vorgedrungen ist und wie er sich konkret manifestiert. Egal, ob die aufgezeigten Schwerpunktsetzungen und Grundauffassungen nun als Ökonomisierung, Neoliberalisierung oder Rationalisierung betrachtet werden – offensichtlich ist, daß die Mechanismen des kapitalistischen Wirtschaftssystems je nach Interpretation mehr oder weniger stark in Lebensplanung und Wertesystem eindringen.
Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen Wirtschaft, neoliberalen Lobbyisten und Politikern auf der einen Seite und von Gewerkschaften, linken Parteien, Organisationen und Einzelkämpfern auf der anderen Seite lassen die Perspektiven für die weitere gesellschaftliche Entwicklung in bezug auf die Ökonomisierung wenig positiv erscheinen. Auf der anderen Seite leuchtet mit dem Aufkommen neuer sozialer- und kapitalismuskritischer Bewegungen und Organisationen ein Hoffnungsschimmer auf, der, gekoppelt an neue politische Vernetzungsmöglichkeiten im Internet, zu einer echten Chance für eine tatsächliche, sogar globale Entwicklung werden könnte.
Seit der Wirtschaftskrise infolge der geplatzten Immobilienblase 2007/2008, werden in Folge eines zunehmenden öffentlichen Drucks verzagte Schritte in Richtung einer sozialeren Gesellschaft gewagt. Hierzulande beispielsweise durch die zumindest angekündigte Einführung eines allgemein geltenden Mindestlohns, einiger Rekommunalisierungen und leichter Verbesserungen vereinzelter Sozialpolitiken wie der sogenannten „Mietpreisbremse“ (die den weiteren Anstieg von Mietpreisen jedoch auch nur minimal bremsen soll, anstatt Erhöhungen tatsächlich zu begrenzen). Im Lichte der großen Entwicklungslinien der neoliberalen Agenda sind solche Einzelmaßnahmen ernüchternd. Denn: Das Hartz-IV-System bleibt in Kraft, im Bildungsbereich geht die Tendenz zur Wirtschaftsorientierung unvermindert weiter, das Banken- und Aktiensystem bleibt weitgehend unreguliert, die zeitweisen Gehaltsbegrenzungen für Bankenmanager hilfsbedürftiger Banken sind vollständig aufgehoben und die Mietpreise in den Städten steigen fast ungehindert weiter. Grundlegende Reformen, die geeignet wären, die neoliberale Agenda zu durchbrechen und die in eine andere Richtung führen könnten, sind nicht in Sicht und auch offenbar nicht gewollt.
Die Schwäche der neoliberalen „Philosophie“, die über keinerlei andere Grundlagen als eine Handvoll von Thesen und Formeln verfügt, konnte von den Kritikern bisher also nicht effektiv gegen das System eingesetzt werden, weshalb es trotz vielfältiger, katastrophaler Krisen bisher zu keinem radikalen Bruch mit jenem Ideengebäude gekommen ist. Zu stark war zum einen die Angst vor kommunistischer Diktatur, die sich als schlechte Alternative darbot, und zu groß waren und sind die materiell-finanziellen Anreize, die als Köder vorgehalten werden, um die Bevölkerung in ihrem Hamsterrad in Bewegung zu halten.
Die Widersprüche des neoliberalen Systems werden mit der Zuspitzung des hegemonialen Machtanspruches und der damit einhergehenden schleichenden Verschlechterung der Lebensumstände der Menschen (trotz ständig steigender Produktivität) zunehmend deutlich. Die dreiste Bereicherung einiger weniger und die Krisenanfälligkeit lassen die überzeugten Verteidiger des Systems stetig weniger werden. Immer offensichtlicher treten die systemimmanenten Widersprüche durch negative externe Effekte zutage und lassen die Ideologie zunehmend absurder erscheinen. Zu diesen externen Effekten gehören etwa der stark erhöhte Krankenstand und die Burnout-Erscheinungen, die mit erhöhtem Leistungsdruck einhergehen. Die Verschulung des Studiums und Kürzung der Schulzeit gehen einher mit einer zunehmend mangelhaften Qualifikation und Einschränkung kritischer Urteilsfähigkeit von Menschen, was langfristig nicht einmal aus ökonomischer Perspektive als zielführend betrachtet werden kann. Auch das angestrebte dauerhafte Wirtschaftswachstum kann selbst aus ökonomistischer Perspektive langfristig nur realisiert werden, wenn Nachhaltigkeit, Ökologie und sozialer Ausgleich zentrale Fundamente des Wirtschaftens sind. Durch das Verhaftetsein am kurzfristigen Renditedenken und der Spekulation kann es langfristig zu keiner leistungsfähigen Wirtschaftsstruktur kommen und erst recht nicht zu einer für alle lebenswerten Gesellschaft. Dies führt jede Rezession, Finanz- und Aktienkrise erneut vor Augen.
Post-neoliberale Idealgesellschaft:
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Die hier ausgeführte Neoliberalismusdeffinition ist keine historische und keine rein wirtschaftspolitische, sondern soll eher die allgemeine Bedeutung widerspiegeln, wie sie zum jetztigen Zeitpunkt in unserer Gesellschaft verstanden wird. Siehe auch hier. |
Kommentare (9)
< Gast - Sylvain Coiplet Permalink