Update: Hier der Wortbeitrag vom Neoliberalyse-Autor.
Frau Malmström antwortet auf die Anmerkung, daß TTIP nicht auf Augenhöhe verhandelt werde und ein Indiz hierfür das Fehlen des Themas "Metrischen Systems als allgemeiner Standard" auf der Agenda der Verhandlungen sei, in Europa sei das Metrische System auch nicht überall Standard. Dies ist falsch und offensichtlich eine schlechte Ausrede, denn in der Tat ist das Metrische System in allen europäischen Ländern und allen Ländern der Erde bis auf die USA, Liberia und Myanmar Standard. Daß der EU-Kommission dieser Gedanke noch nicht gekommen sei, spricht für ihre schwache Haltung den USA gegenüber (eine Schwäche Europas, die auch etwa bei der Weigerung aller EU-Staaten offensichtlich wurde, Edward Snowden Asyl zu gewähren).
Den anderen Teil der Anmerkung, TTIP stärke einen unfairen Welthandel durch eine größere Dominanz des transatlantischen Wirtschaftsblocks, kommentiert Malmström fadenscheinig damit, mit anderen, ärmeren Ländern würden ja auch Handelsabkommen geschlossen. Kritik an der so offen praktizierten merkantillistischen Politik der EU und der USA (Stichwort Terms of Trade bei Rohstoffen) ignoriert sie.
Das Flugblatt von Neoliberalyse.de, das auf der Veranstaltung verteilt wurde findet sich hier:
Die EU-Kommission und die TTIP-Befürworter

Daß es nicht um eine ergebnisoffene Diskussion geht, ist etwa daran zu erkennen, welche Organisationen als Unterstützer für den „Bürgerdialog“ genannt werden und wie stark das Ungleichgewicht hier zugunsten der TTIP-Befürworter ist. So sind unter den 20 Organisationen, die als Partner des „Bürgerdialogs“genannt werden, lediglich 2 Organisationen, die sich eindeutig gegen TTIP aussprechen (der DGB und „TTIP unfair handelbar“). Auch der Veranstalter, die „europa-union“ selbst spricht sich auf seiner Internetseite grundsätzlich für TTIP aus.
Unbegrenzter Freihandel ist nach Aussagen vieler Bundespolitiker (allen voran Gabriel und Merkel) sowie von Wirtschaftsvertretern eine Art Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme und essentielle Grundlage für Wirtschaftswachstum. In der linearen Wachstumslogik des fordistischen Denkens des 20. Jahrhunderts erscheint dies logisch. Dies ist auch die Ideologie von Handelskammern, vielen Spitzenpolitikern, Wirtschaftsentscheidern und Lobbyisten, die mit aller Macht ihr Privatprojekt TTIP zur Steigerung von Gewinnen und zur Zwangsöffnung von Märkten gegen die Menschen durchzusetzen gedenken.Dem entgegen steht ein breites Bündnis, das massiv Widerstand in allen Teilen der Zivilgesellschaft ausübt. Hierzu zählen ökologische und soziale Bewegungen, Privatisierungskritiker, Vertreter des Fairen Handels, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, Landwirte, Imker und informierte Bürger.
Anstelle von TTIP braucht die Welt ein faires Handelssystem. Was die Menschheit nicht braucht, das sind noch dominantere (vornehmlich westliche) Großunternehmen. Wir plädieren für ein ökologisches, sozial gerechtes und international solidarisches Handelssystem. Mit einem starken Afrika, Lateinamerika und Südostasien. Ein wirklich faires Handelsabkommen ist eines, das benachteiligte Wirtschaftsräume auf Augenhöhe einbezieht anstatt auf dem Rücken der Ärmsten und der Natur rücksichtsloses Wirtschaftswachstum in einem exklusiven 2er-Club aus EU und USA zu erzwingen.
In diesem Sinne folgt auf der Rückseite eine Gegenüberstellung der Ziele und Inhalte von TTIP und der besseren Alternativen für die Bevölkerungsmehrheit – in einem demokratischen und sozial gerechten System und unter Bewahrung der Natur:
Transatlantisches |
Fairer Handel und demokratische Steuerung |
Bilaterales Abkommen |
Multilaterale Regeln |
Stärkung bereits dominanter Großunternehmen |
Stärkung lokaler und kleiner Unternehmen |
Merkantillistischer Wirtschafts-Egoismus zweier, bereits dominierender Wirtschaftsblöcke |
Sozialer und fairer Handel zwischen vielen gleichberechtigten Partnern |
Benachteiligung dritter Handelspartner (außerhalb von TTIP) |
Fairer Handel mit peripheren und armen Weltregionen |
Regeln im Sinne von Großunternehmen, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt werden |
Demokratische Regeln für die ganze Gesellschaft, die in der Öffentlichkeit verhandelt werden |
Vorentscheidungen werden in zwischenstaatlichen Gremien getroffen. Zugriffsmöglichkeiten von Seiten der Zivilgesellschaft erst, wenn es fast zu spät ist |
Direkter Zugriff auf politische Entscheider durch die Zivilgesellschaft (vor allem möglich auf nationaler Ebene) – zu jedem Zeitpunkt der Entscheidungsfindung |
Investitions„schutz“ als juristische Grundlage für Großunternehmen, um gegen demokratische Entscheidungen vorzugehen |
Beschränken auf bestehende Gesetze. Verbesserung und Stärkung der Gesetze im Sinne der Bevölkerungsmehrheit |
Angleichung von Standards zwischen EU und USA in kontroversen Bereichen |
Anerkennung von Verschiedenheit: Keine Angleichung an Standards anderer Länder/Volkswirtschaften ohne mehrheitliche Zustimmung aus der Bevölkerung |
Politische Entmündigung der Zivilgesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks durch Aushebelung demokratischer Institutionen |
Unabhängige Politik in den USA und in Europa, die jeweils in einem demokratischen System auf nationalstaatlicher oder föderaler Ebene ausgehandelt wird |
Verbesserte Chancen für Risikotechnologien (industrielle Landwirtschaft und Agro-Konzerne, Kohle- und Atomkraft, grüne Gentechnik, Fracking usw.) |
Schlechte Chancen für Risikotechnologien aufgrund eines wirkungsvolleren Widerstands der Zivilgesellschaft |
Weitergehende Privatisierungen staatlich organisierter Branchen – auch der Grundversorgung |
Keine Privatisierung von Branchen der Grundversorgung. Klare Privatisierungsverbote für diese Bereiche |
Wortbeitrag vom Neoliberalyse-Autor (Christopher Stark)
auf dem TTIP-Bürgerdialog in Berlin:
Aufruf zur Protest-Beteiligung: PolitikVonUnten.org