Rezension einer Rezension
Zur Rezension, erschienen auf dem „Portal für
Politikwissenschaft“ aus 2014 Link)

 


Im Folgenden wird vom Autor des Buches „Neoliberalyse – über die Ökonomisierung unseres Alltags“ Christopher Stark, die Rezension von Wolfgang Denzler rezensiert.


 

Denzler: "Das Kunstwort Neoliberalyse deutet daraufhin, dass es hier um eine Analyse des Neoliberalismus geht. Christopher Stark will „zeigen, daß [sic!] der Trend hin zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche ungebrochen ist und bereits viel tiefer sitzt, als dies im allgemeinen [sic!] wahrgenommen wird“ (13).
Dabei geht es dem studierten Geografen besonders darum, neoliberale Botschaften in der Alltagswelt der Medien, Werbung und Bildung aufzuzeigen. So erkennt er bei populären Casting‑Shows – wie „Germany’s Next Topmodel“ – eine Verankerung neoliberaler Werte durch den scharfen Wettbewerbscharakter und die erzwungene Selbstvermarktung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer."

 

Gleich im zweiten Satz geht Denzler nicht etwa auf den Inhalt des Buches ein, sondern hält sich mit einer oberflächlichen Stilkritik auf. Der Rezensent meint an dieser Stelle zeigen zu müssen, daß die Anwendung der alten Rechtschreibung ein Fehler sei. Dies tut er in polemischer Art und Weise durch die überflüssige Anwendung des sic!

 

Denzler: "Die ökonomisch geprägte Denkweise des neoliberalen Paradigmas sei bereits in alle Lebensbereiche vorgedrungen. Der Autor positioniert sich klar gegen diesen Trend, verspricht aber eine undogmatische Untersuchung, bei der er „stark auf seine politischen Erfahrungen sowie auf seine Allgemeinbildung“ (14) zurückgreift. Doch gerade beim Hineindeuten bestimmter Motive oder Weltanschauungen in die Aussagen anderer fehlt zum Teil eine reflektierte Argumentation. Einseitig negativ konnotiert verwendet Stark den Begriff des Lobbyismus, mit dem er allerdings nur die Kommunikation der Befürworter des Neoliberalismus beschreibt."

 

Die Aussage, es fehle zum Teil eine „reflektierte Argumentation“ wird vom Rezensenten nicht weiter konkretisiert. Damit tut er mit seiner Aussage genau das, was er mir unterstellt: Er schreibt unreflektiert und pauschal. Dies wird der Tiefe meines Buches nicht gerecht.
Es ist richtig, daß ich den Begriff des Lobbyismus im Buch überwiegend negativ konnotiert verwende. Diese Kritik ist aber nur zum Teil gerechtfertigt, denn meine Kritik gilt erklärtermaßen dem Wirtschaftslobbyismus der Handelskammern und neoliberalen Vordenker-Organisationen (wie etwa der Bertelsmannstiftung, dem „Centrum für Hochschulentwicklung“, dem BDI usw.). An den meisten Stellen des Buches werden diese Akteure und ihre Handlungen konkret benannt. Damit ist dieser Kritikpunkt in dieser Form unfair und weitgehend ungerechtfertigt.
Daß Lobbyismus im Buch lediglich als  „Kommunikation der Befürworter des Neoliberalismus“ dargestellt wird, ist nicht richtig. Es wird vielmehr auch auf Hintergründe eingegangen – wie zum Beispiel auf Funktion und Aktivitäten der WTO, der Weltbank, der Wirtschaftslobbyisten, wie sie sich in bundesdeutschen Ministerien festsetzen usw. Und dies wird auch an vielen Stellen mit Quellen belegt - obwohl es sich nicht um eine wissenschaftliche Schrift handelt. Bereits der Titel des Buches weist die Richtung  auf: „Neoliberalisus im Alltag“.

 


Denzler: "Durch die Breite der Analyse und die Originalität der Beispiele gelingt es ihm aber, die Leserinnen und Leser zu überraschen. So stellt er etwa Programmteile des deutschen Comedian Dieter Nuhr pointiert als verächtlich und sozial kalt bloß. Er kritisiert Nuhr zu Recht dafür, dass dieser pauschal allen Befürwortern von größerer sozialer Gerechtigkeit egoistische Gier und Neid vorwirft. Leider kontert Stark wenig differenziert: „So ist der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit in der Regel als Altruismus zu werten und schallt aus allen Gesellschaftsschichten“ (94)."

 

Denzler widerspricht sich hier. Ist die Analyse nun „pointiert“ und „originell“, oder „wenig differenziert“? Die gesamte, von Denzler als „wenig differenziert“ beklagte Passage lautet im Übrigen:

„Auch hier geht Nuhr erneut dazu über, den Begriff der (sozialen) Gerechtigkeit zu verhöhnen. Er sagt, alle Statusgruppen der Gesellschaft hätten nur ihre jeweils eigenen Interessen im Fokus. In dieser Aussage schwingt die Behauptung mit, die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit sei in Wirklichkeit von Egoismus geleitet, weil man sich eine Umverteilung zu den eigenen Gunsten erhoffe. Diese Behauptung ist jedoch offensichtlich sehr häufig falsch. So ist der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit in der Regel als Altruismus zu werten und schallt aus allen Gesellschaftsschichten, vor allem aus der finanziell recht gut abgesicherten Mittelschicht. Beste Beispiele sind etwa die studentischen Proteste für eine soziale Öffnung des Bildungssystems. Die vermeintliche Forderung nach Gerechtigkeit mit dem Ziel der eigenen Bereicherung gibt es hingegen eher nicht. Kein Banker oder Wirtschaftsboß würde auf die Idee kommen, mit Hinweis auf die soziale Gerechtigkeit eine
Steuersenkung für Vielverdiener zu fordern!“

 

Denzler: "Belegt wird diese behauptete Regelmäßigkeit nicht. Neben dem Mangel an theoretischem Hintergrund (so fehlt etwa eine kritische Begriffsgeschichte des Neoliberalismus) fallen Formatierungsfehler und eine schwankende Textqualität auf (teils alte Rechtschreibung). Größtenteils handelt es sich bei den Texten um Beiträge, die zuvor bereits im Blog des Autors (neoliberalyse.de) veröffentlicht wurden."

 

Der geforderte „Beleg“ für die Ökonomisierung des Alltags ergibt sich aus dem Gesamtbild der Beispiele aus allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen. Herr Denzler hätte in den „Schlußfolgerungen und abschließenden Bemerkungen“ am Ende des Buches viel dazu entnehmen können. Die in der Rezension willkürlich herausgegriffenen zwei bis drei Punkte sind für eine Rezension, die einen solchen Namen verdient, unzureichend.
Der vermeintliche „Mangel an theoretischem Hintergrund“ und das angebliche Fehlen einer „kritischen Begriffsgeschichte des Neoliberalismus“ sind der erklärten Schwerpunktsetzung des Buches geschuldet. Schließlich steht gleich in der Einleitung, daß der Ansatz des Buches eben kein theoretischer/politikwissenschaftlicher ist: „Die Analysen dieses Buches sind in einem essayistischen Stil verfaßt.“ und „Neoliberalismus wird hier also weder als Wirtschaftstheorie noch als historischer Begriff verstanden [...]“. Ganz abgesehen davon beinhaltet das Kapitel „Unsozial sind immer die anderen“ viele Details zur Begriffsgeschichte und zum gesellschaftlichen Diskurs um den Begriff des Neoliberalismus. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Die Kapitel des Buches sind sich im Übrigen auch nicht, wie von Denzler behauptet, größtenteils Texte, die bereits auf Neoliberalyse.de veröffentlicht wurden. Der überwiegende Teil des Buches ist unabhängig vom Blog entstanden. Und die Artikel, die bereits dort erschienen waren, sind stark modifiziert und erweitert worden. Auch diese Aussage ist damit nicht korrekt. Das Buch ist zudem auch nicht teilweise, sondern komplett in der alten Rechtschreibung verfaßt. Na und?

Insgesamt enthält diese Rezension erstaunlich wenig Informationen über Argumentationsweise und Inhalte des Buches. So fehlt etwa überhaupt die Erwähnung der politischen Vorschläge im letzten Kapitel oder des großen Kapitels über die Neoliberalismuskritik in Kunst und Kultur. Auch die umfangreichen Ausführungen zur Ökonomisierung des Bildungssystems und die umfassende Gesellschaftskritik in den Schlußfolgerungen fallen unter den Tisch. Es scheint, als habe der Rezensent das Buch nur durchgeblättert und ein Paar Sätze mehr oder weniger zufällig herausgegriffen. Durch die Fach-Brille eines Online-Journalisten (FH) werden die weitergehenden Gedanken und die ganzheitliche Gesellschaftskritik scheinbar herausgefiltert.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung sähe anders aus. Es ist zu vermuten, daß Herr Denzler entweder politisch mit der normativen Aussage des Buches nicht einverstanden ist, oder aber gar nicht versteht, worum es im Buch eigentlich geht. Nicht zu übersehen ist die Arroganz im Ton und die Oberflächlichkeit, mit der er weit davon entfernt bleibt, zum Kern des Buches vorzudringen.
Ein Blick auf die Selbstdarstellung Denzlers im Internet ist im Übrigen sehr aufschlußreich. Der Bachelor-Politologe schmückt sich auf dem "Portal für Politikwissenschaft" mit dem Namen der „Universität Hamburg, Institut Politikwissenschaft“. Dabei ist er dort längst nicht mehr eingeschrieben (als ehemaliger Bachelor-Student).
Wie bei so vielen jüngeren Menschen der Leistungsgesellschaft erkennt man schon am Lebenslauf den Wunsch, alles richtig zu machen zu wollen und sich auf dem Karrieremarkt mit Anzug, XING, Auslandssemester und tausend Praktika stromlinienförmig zu positionieren (siehe Xing-Profil). Dazu paßt auch das letzte Studium an der neoliberalen Vorzeigehochschule „Leuphana-„Universität“ in Lüneburg („Sustainability Science“ - das soll ja im Trend liegen).
Wie viel neoliberales Gedankengut an der „Leuphana“ sonst noch zu finden ist, zeigt etwa mein Artikel aus der Zeitschrift „Tumult“.

 

Es geht um das folgende Buch:

 Buch-vorne-500

Neoliberalyse -
Über die Ökonomisierung unseres Alltags


Verlag: Mandelbaum Verlag, Wien 2014.
Autor Christopher Stark
ISBN Nr. 9783854766353.



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