Harte Drogen für die Leistungsgesellschaft
Wie sich Drogen in den neoliberalen Wettbewerb einfügen
Im Interview mit der FAZ vom 23.10.2015 (Interviewer Daniel Deckers) erklärt Wolfgang Götz von der europäischen Drogen-Beobachtungsstelle, welche Probleme es aktuell in Europa mit illegalen Drogen gibt.
An dieser Stelle seien einige Fragen und Antworten aus dem Interview zitiert und kommentiert. Zudem sollen die Aussagen von Herrn Götz mit Hilfe mehrerer Werbegrafiken untermauert werden.
[Zitate aus dem Interview:]
„Überall wird konsumiert, überall produziert
Wolfgang Götz von der europäischen Drogen-Beobachtungsstelle über klassische Drogen, synthetisches Rauschgift und psychoaktive Substanzen
[...] Steht auch der Zeitgeist dem Heroingebrauch entgehen? Früher waren Rauschgifte gefragt, um der Realität zu entfliehen. Mit dem Aufschwung des Neoliberalismus wurden stimulierende Drogen wie Kokain und Amphetamine attraktiv.
Heroin etwa war immer da, hatte aber immer ein schmutziges Image. Auch Stimulanzien waren immer da, aber vorwiegend unter Reichen und Schönen. Gut möglich, dass in einer kompetitiven Gesellschaft, in der Doping nicht mehr auf den Sport veschränkt bleibt, Heroin noch unattraktiver und Kokain wie Amphetamine begehrenswerter wurden. Die legale Seite dieses Trends heißt Energydrinks und andere Fitmacher.
Laut den Daten der EMCDDA ging die Nachfrage nach Kokain in Großbritannien und Spanien in dem Maß zurück, wie sich die Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008 bemerkbar machte. Inzwischen steigen die Konsumraten wieder.
Generell kann man sagen, dass der Angebotsdruck groß ist, aber die Nachfrage schwankt. Besonders Stimulanzien sind gegenseitig austauschbar geworden; es wird konsumiert, was billig und verfügbar ist und wo eine hohe Qualität beziehungsweise Reinheit angenommen wird.
Es ist bestürzend, wie weit der Selbstoptimierungs- und Leistungswahn inzwischen geht. Neben dem starken Anstieg psychischer Erkrankungen aufgrund des erhöhten Drucks der Vergangenen Jahre ist auch auf den massiven Anstieg von Fällen des Burnouts hinzuweisen.
Wie Werbung zu einer Haltung beitragen kann, zeigen die folgenden Werbeanzeigen aus den letzten 5 Jahren:
Es liegt auf der Hand, daß die Leistungsanforderungen an die Menschen heruntergeschraubt werden müssen. Aber stattdessen wird weiter beschleunigt und der Druck erhöht. Zeitgleich werden künstliche Stiumulanzien und eine allgemeine Fortschrittsgläubigkeit über Anzeigen beworben.
Die Kombination aus beiden Entwicklungen führt dazu, daß es Menschen nicht bei weichen Stimulanzien wie Koffein belassen, sondern im Übergang vielleicht die eine oder andere 1,5-Liter-Flasche eines Energydrinks wegsüffeln als wäre es Wasser.... Ein größerwerdender Anteil der Bevölkerung beläßt es aber nicht dabei sondern landet schließlich bei harten Drogen wie eben bei Amphetaminen, die immer dann eingenommen werden, wenn Leistung erbracht werden muß. Zu Prüfungen, vor Vorträgen oder Präsentationen usw.
Das alles ist eine sehr negative Entwicklung. Entschleunigung wäre eigentlich das Gebot der Stunde. Weniger Druck und mehr Freiheit in Schule, Universität und Ausbildung, kürzere Arbeitszeiten für Vollzeitbeschäftigte, eine gesetzlich festgelegte Maximalzahl von Überstunden und ähnliche Maßnahmen.
Einen Kommentar verfassen
Als Gast kommentieren